Jede neue Künstlergeneration erprobt sich an den Werken der Vorgänger auf ihre Verwertbarkeit für die eigene Arbeit und bestätigt auf diese Weise ihre Vorbilder. Jonas, der seit mehr als zehn Jahren als Bildhauer, Zeichner und Maler arbeitet, dessen visuelle Prägung von Berlin ausging und sich dann im Studium in Düsseldorf bei Markus Lüpertz und Siegfried Anzinger formte, beobachtet nachdenklich und mit kritischer Distanz, wo er seinen Platz findet.

Bildhauer müssen viel Geduld aufbringen, davon kann der 1984 geborene Jonas, der zunächst in Stein gearbeitet hat, ein Lied singen. Bei der mühsamen Arbeit an Stein hat sich Jonas Raum für Überlegungen geschaffen, was heute geeignete Materialien und Mittel sind, um seinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu geben.

Im Umfeld des neuen Expressionismus in Berlin aufgewachsen, setzt er sich zunächst mit der Skulptur der zwanziger Jahre auseinander, wo er von Beckmann bis Schlemmer unausgeschöpfte Vorbilder für seine Arbeit findet. Oskar Schlemmers philosophische Erforschung des Wesentlichen der Dinge und Erscheinungen wird zum Ausgangspunkt der Arbeit von Jonas und eröffnet ihm die Möglichkeit, sich zu orientieren, ohne sich auf einen Stil festlegen zu müssen.

Ein weiterer Kreis schließt sich, wenn man von Jonas Düsseldorfer Vorbild Norbert Kricke erfährt, der wiederum Meisterschüler beim Berliner Künstler Hans Uhlmann war. Das Werk beider Künstler führt uns zu Stahlskulpturen, überhaupt zum Material Stahl, das den Skulpturen im 20. Jahrhundert ein neues Element hinzufügte.

Vernissage – Chaos Chips von Bildhauer Jonas Hoedicke in der Galerie Raab – Berlin Fasanenstraße

Es verkörpert revolutionäre Erfindungen in Industrie und Architektur, hat besonders in seiner gebrochenen Form Künstler zu Auseinandersetzungen mit der Relativität von Zeit und Raum angeregt. Stahl ist hart, lässt sich nicht verbiegen, für den Künstler also eine Herausforderung, mit dem Material Widersprüchliches, Paradoxes auszuprobieren. Zum Beispiel mit Stahldraht, aus ihm lassen sich „Schreitende“ biegen, die wiederum kann man auf einer „Bühne“ miteinander tanzen lassen. Stahl gewinnt hierdurch eine ganz andere Bedeutung, ist beschwingt, beweglich geworden.

Dies führt zu weiteren Dialogen. Aus Silikon, Dübeln, Schrauben und Draht entstehen Stillleben, die als „Chaos Chips“ betitelt hier ein fröhliches, dort ein elegantes oder streng strukturiertes Eigenleben entwickeln. Keine Frage, es schleicht sich auch ab und zu mal ein „Virus“ ein, aber das ist halb so schlimm, wenn man sich nämlich den „Crab Claw Virus“ genauer ansieht, ist das doch wieder ein wohl komponiertes Stillleben, das nicht attackiert, weil die Klauen in getrocknetem Zustand eher an unsere Sammlerleidenschaft als Kinder am Strand erinnern, als an die Attacke einer Riesenkrabbe.

Dass Humor im Werk von Jonas eine Rolle spielt, feine Assoziationsspiele, die hier ein Lächeln hervorrufen, dort spielerisch eigene Erinnerungen wachrufen, erweckt Erwartungen, auf die man sich freut. Ein junger Künstler lädt dazu ein, die Welt von morgen zu entdecken, man muss nur seiner Einladung folgen, um in unbekannte Sphären einzutauchen.

Gaza